Im Gespräch: Dr. Roger Huber über Assess­ments im Exe­cu­ti­ve Search

Was erfolg­rei­che Füh­rung mit Men­schen­kennt­nis, Ver­ant­wor­tung und Selbst­re­fle­xi­on zu tun hat

Elena D Cruz

von Dr. Elena D’Cruz
12. Oktober 2025

Porträt von Dr. Roger Huber, Arbeits- und Organisationspsychologe, neben einem goldfarbenen Mikrofon – Symbolbild für das Interview im Coopers Executive Blog.

Personalentscheidungen auf Executive-Level haben weitreichende Folgen. Der Rekrutierungsprozess ist komplex und geht weit über das Matching von Lebensläufen hinaus. Oft entscheidet die innere Haltung – das Executive Mindset – ob eine Führungspersönlichkeit wirklich zu einer Rolle und einem Unternehmen passt. Dabei gilt es, zwischen den Zeilen zu lesen und Potenziale sichtbar zu machen.

Ein Experte dafür ist unser langjähriger Partner Dr. Roger Huber, promovierter Arbeits- und Organisationspsychologe und Gründer von xls – exclusive leadership support GmbH. Seit über 15 Jahren begleitet er Unternehmen in sensiblen Auswahlentscheidungen – mit fundierter Eignungsdiagnostik, Potenzialanalysen und als Sparringspartner im Entscheidungsprozess.

Wir haben uns mit Dr. Roger Huber zu einem Gespräch getroffen über Assessments, über Menschenkenntnis, Führungsverantwortung und die Kunst, ein guter Gastgeber zu sein.

Ein Assessment ist ein Spiegel, kein Urteil

Wenn Roger Huber ein Assessment beginnt, ist der Raum bereits vorbereitet. Unterlagen liegen bereit, Getränke stehen parat, die Sitzordnung ist bewusst gewählt. Nicht für ihn selbst, sondern für die Person, die gleich den Raum betritt. Sie bringt spürbare Spannung mit – denn es geht um sie. Und meist geht es um viel.

Coopers: Roger, du sagst, ein Assessment ist kein Urteil, sondern ein Spiegel. Was meinst du damit genau?
Roger Huber (RH): Ein Assessment ist ein Fremdbild einer Person, das – wie ein Spiegel – so realitätsnah wie möglich zeigt, wer sie ist. Damit das gelingt, muss man in die Welt der Person eintauchen und den Rahmen so gestalten, dass sie sich zeigen kann.

Die 4 Elemente wirksamer Führung

Der Weg von Roger Huber in die Psychologie war von einigen Umwegen geprägt. Nach einem kurzen Abstecher in die Chemie stellte er fest, dass ihn nicht Stoffe, sondern Menschen fesselten – genauer gesagt ihr Verhalten in Organisationen und Führungsrollen.

Coopers: Welche Stationen haben dich auf diesem Weg besonders geprägt?
RH: Unterschiedliche Erfahrungen: Als Fussballtrainer in meiner Schulzeit lernte ich, wie man ein Team führt und gleichzeitig auf jeden Einzelnen eingeht. Im Militär wurde mir bewusst, wie eng Fürsorge und Leistungsfähigkeit zusammenhängen – wer nicht isst oder schläft, kann keine Leistung bringen. Die Jahre bei der Credit Suisse haben mein Gespür für den Umgang mit unterschiedlichen Entscheidungsträgern und kulturellen Phänomenen geschärft. Und als Geschäftsführer habe ich erfahren, was es bedeutet, die volle Verantwortung für Ergebnisse zu tragen.

Coopers: Welche Haltung leitest du daraus heute in deiner Arbeit ab?
RH: Für mich sind es vier Elemente, die gute Führung ausmachen: Erstens echtes Interesse am Menschen. Zweitens Fürsorge, also Verantwortung für das Wohl anderer. Drittens ein tiefes Verständnis für Beziehungen und Machtgefüge in Organisationen. Und viertens ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein im Sinne von Accountability. Diese vier Aspekte habe ich in meinen verschiedenen Stationen selbst erlebt und sie prägen bis heute meine Arbeit.

Coopers: Und wie zeigt sich das konkret in deinen Assessments?
RH: Ich sehe mich als Gastgeber, der den Rahmen schafft, und als Begleiter, der Verantwortung übernimmt, damit sich Potenziale entfalten können. Für mich geht es nicht nur um die Passung zur Rolle, sondern auch darum, wie jemand führt, kommuniziert, mit Druck umgeht und Ergebnisverantwortung übernimmt.

"Wer führen will, muss zuerst sich selbst führen können."

Assessments in der Praxis

Coopers: Warum Assessments?
RH: Der Sinn und Zweck von Assessments ist, eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage für Unternehmen zu schaffen: Wie gut passt diese Person in mein Unternehmen, in mein Team? Das ist mein Hauptauftrag. Mein zweiter Auftrag ist, die Person so zu beschreiben, dass sie sich in den beschriebenen Stärken und Handlungsfeldern wiedererkennt.

Coopers: Wie läuft ein Executive Assessment mit dir ab?
RH: Es gibt eine feste Struktur, aber die Inhalte passe ich immer individuell an, je nach Funktion, Unternehmenskultur und den aktuellen Herausforderungen. Nach einem detaillierten Kundenbriefing erstellen wir das Design und laden die Personen persönlich ein. In der Regel sind wir zwei Assessor:innen und arbeiten mit Interviews, Präsentationen und Gesprächssimulationen. Am Ende des Tages gibt es ein erstes Feedback – mit drei Stärken und drei Entwicklungsfeldern. Sowohl Kund:innen als auch Kandidat:innen erhalten einen ausführlichen Assessment-Bericht.

Coopers: Was ist dir bei einem Assessment besonders wichtig?
RH: Ob Executive Search oder Standortbestimmung, das Grundprinzip ist gleich: Die Person muss sich wiedererkennen. Und das Unternehmen braucht eine solide Entscheidungsgrundlage. Die Methodik unterstützt, aber entscheidend bleibt der Dialog.

Coopers: Du bist auch als Coach tätig. Wie unterscheiden sich Assessments und Coaching?
RH: Gemeinsam ist beiden, dass es um eine Person in einem sozialen Umfeld geht. Im Assessment prüfen wir die Passung, im Coaching geht es darum, Verhalten gezielt weiterzuentwickeln. Ein Coaching baut auf der Assessment-Analyse auf und zeigt Möglichkeiten, wie jemand in diesem Umfeld agieren kann.

Coopers: Kannst du ein Beispiel nennen?
RH: Im Coaching geht es häufig um Muster, die Führung erschweren, etwa Ansprechen von Schwierigkeiten, äussern von Erwartungen oder so etwas Banales, wie die Lautstärke der Stimme. Entscheidend ist, Probleme nicht als Schwäche zu sehen, sondern als Chance für Entwicklung.

Coopers: Sprechen Führungskräfte da gerne darüber?
RH: Ganz klar, die Frage nach Niederlagen und Misserfolgen ist oft die herausforderndste. Unsere Welt ist stark erfolgsorientiert, viele Führungskräfte tun sich schwer, über das Gegenteil zu sprechen. Doch genau hier trennt sich Spreu vom Weizen: Gute Führung heisst, reflektiert mit Misserfolgen umzugehen.

Coopers: Kann man diese Selbstreflexion lernen?
RH: Ja. Man muss bewusst Zeit einräumen, Abstand nehmen und sich selbst führen lernen, erst dann kann man andere führen. Coaching unterstützt dabei, Positives zu verstärken und zugleich Herausforderungen konstruktiv anzugehen.

Coopers: Worauf achtest du noch bei Assessments?
RH: Vor allem auf Verantwortungsübernahme. Und zwar nicht nur bei Rückenwind, sondern gerade im Sturm. Wie viel Bereitschaft hat jemand, Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie unbequem sind? Ausserdem ist Objektivität wichtig: Egal ob in hierarchischen oder flachen Strukturen, man muss mit dem Team arbeiten, das man hat.

Zusammenarbeit mit Coopers Executive

Coopers: Wie sieht deine Zusammenarbeit mit Coopers Executive aus?
RH: Wir arbeiten meist bei besonders anspruchsvollen Mandaten zusammen. Entscheidend sind Offenheit und Transparenz, weil mehrere Parteien involviert sind: Linie, HR, Coopers als Executive Search Partner und wir als Assessor:innen.

Coopers: Was passiert, wenn es unterschiedliche Einschätzungen gibt?
RH: Das ist kein Problem, sondern eine Chance. Wir vergleichen Eindrücke: Was ist deckungsgleich? Wo reden wir vom Gleichen, nennen es nur anders? Und wo gibt es echte Unterschiede? So schärfen wir gemeinsam das Profil.

Coopers: Heisst also, enge Zusammenarbeit ist Pflicht?
RH: Absolut. Erwartungsmanagement ist zentral. Wir müssen verstehen, was der Kunde braucht und welche Erfolgsfaktoren zählen. Coopers bringt das Markt- und Fachwissen, wir ergänzen mit der Verhaltensebene und Interaktion. Gerade weil es aktuell viele gute Kandidat:innen gibt, müssen wir noch genauer hinschauen, um den besten Match zu finden.

"Früher war der Chef wie ein kleiner Gott."

Führung heute und morgen

Coopers: Roger, wie hat sich das Bild von Führung verändert und wohin entwickelt sie sich?
RH: Früher war der Chef wie ein kleiner Gott. Heute wird Führung selbstverständlich hinterfragt, gerade von jungen Mitarbeitenden, die selbstbewusster und mündiger auftreten und Begründungen erwarten. Führungskräfte müssen lernen, mit mehr Gegenwind umzugehen.

Coopers: Was bleibt trotz dieses Wandels bestehen?
RH: Die Notwendigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Aufgaben müssen delegiert, besprochen und kontrolliert werden. Aber künftig mehr auf Augenhöhe und mit Guidance.

Coopers: Ist das nicht auch eine Chance?
RH: Auf jeden Fall. Offenheit und Unvoreingenommenheit sind Schlüsselqualitäten. Junge Mitarbeitende haben oft gute Ideen, brauchen aber Unterstützung bei der Umsetzung. Erfahrene Führungskräfte können hier Brücken bauen – wenn Vertrauen und Teamwork die Basis sind.

Bevor wir gehen…

Coopers: Was wäre dein Lieblingsort für ein Assessment, wenn es nicht der Meetingraum sein müsste?
RH: Das habe ich tatsächlich schon einmal erlebt. Wir waren in einer stillgelegten Fabrikhalle, weil das Assessment geheim bleiben musste. Das war eine besonders intensive Atmosphäre. Ansonsten vielleicht eine Hütte in den Bergen. Kein Gipfel, aber ein Ort der Ruhe, mit Fokus auf die Person.

Coopers: Zum Abschluss ein paar schnelle Fragen:

…Kopf- oder Bauchmensch?
RH: Kopfmensch.

…early bird oder Nachteule?
RH: Beides, aber lieber early bird.

…strukturiert oder spontan?
RH: Struktur schafft Raum für Spontanität.

…Soft Skills oder Hard Skills?
RH: Soft Skills. Hard Skills kann man lernen.

…Klartext oder Zwischentöne?
RH: Klartext. Mein Job ist schliesslich evidenzbasiert.

 

Vielen Dank, Roger, für deine Zeit und deine wertvollen Einblicke in die Welt der Assessments.

Fazit & Ausblick

Das Gespräch mit Roger Huber zeigt: Assessments sind kein Urteil, sondern ein Spiegel und damit eine wertvolle Grundlage für nachhaltige Personalentscheidungen. Sie machen Potenziale sichtbar, schaffen Klarheit und eröffnen Entwicklungswege für Führungspersönlichkeiten.

Wenn Sie mehr über unsere Assessment Dienstleistungen erfahren möchten oder Unterstützung bei der Besetzung einer Schlüsselposition suchen, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass die richtigen Menschen an den richtigen Stellen wirken.

Kontakt aufnehmen

Wenn Sie mehr über Executive Assessments und weitere Executive Search Leistungen erfahren möchten, nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf. Gemeinsam mit Dr. Huber besprechen wir Ihren Bedarf und finden die Lösung, die am besten zu Ihrer Organisation passt.

zum Profil

FAQ: Häufige Fragen zu Assessments und Führung

Ein Assessment ist ein strukturiertes Verfahren, um Fähigkeiten, Potenziale und Persönlichkeitsmerkmale von Führungskräften oder Mitarbeitenden objektiv zu beurteilen. Ein Assessment dient als Grundlage für fundierte Personalentscheidungen.

Assessments bieten mehr Sicherheit in der Personalauswahl. Sie machen Potenziale sichtbar, decken Entwicklungsfelder auf und schaffen eine solide Entscheidungsgrundlage, besonders bei Führungspositionen.

Im Gegensatz zu Interviews liefert ein Assessment objektive, methodisch fundierte Ergebnisse. Es zeigt nicht nur, ob jemand zur Rolle passt, sondern auch, wie sich die Person weiterentwickeln kann.

Ein Assessment bewertet Kompetenzen und Passung für eine bestimmte Rolle. Coaching baut darauf auf und unterstützt die persönliche Weiterentwicklung anhand der gewonnenen Erkenntnisse.

Selbstreflexion ist ein zentrales Element. Sie zeigt, inwieweit jemand sich selbst realistisch einschätzen, Verantwortung übernehmen und aus Erfahrungen lernen kann. Alles entscheidend für gute Führung.

Je nach Ziel werden Themen wie Leadership Skills, Entscheidungsfähigkeit, Kommunikationsverhalten, Belastbarkeit, Teamfähigkeit und Selbstreflexion beurteilt.

Ein Assessment lohnt sich immer dann, wenn wichtige Positionen neu besetzt werden, Nachfolgelösungen anstehen oder Entwicklungspotenziale identifiziert werden sollen.

Coopers Executive kombiniert Markt- und Branchenkenntnis mit psychologischer Diagnostik erfahrener Assessor:innen. So entstehen ganzheitliche und fundierte Entscheidungsgrundlagen für Unternehmen.